Wie gründe ich eine reformpädagogische Initiative?

Ein Leitfaden mit den wichtigsten Schritten. Je nach Situation und Aufgabenstellung sind einzelne Schritte nicht notwendig. Grundsätzlich gilt aber immer: Je mehr Respekt man den bestehenden Strukturen entgegen bringt, umso leichter lassen sich verschlossene Türen öffnen.

1. Mit Eltern und Lehrer/innen sprechen

Das wichtigste sind Gleichgesinnte, die auch bereit sind, sich zu engagieren. Wenn es an einem Ort noch gar keine Angebote für Reformpädagogik gibt, steht man ganz am Anfang. Eltern sind üblicherweise genau so lange zu Engagement bereit, solange ihre eigenen Kinder davon profitieren können. Deshalb wechseln die Eltern nach einigen Jahren, was auch ganz sinnvoll ist – eine gute Staffelübergabe sorgt regelmäßig für frischen Wind. Je mehr Leute sich engagieren, umso höher wird der Druck auf Verwaltung und Schuldirektoren, auch ganz ohne dass „Druck“ ausgeübt wird.

2. Gemeinsame Ziele formulieren

Reformpädagogik ist ein Sammelbegriff für viele Strömungen, die meisten von ihnen sind schon sehr alt (Montessori entwickelte ihre Konzepte vor 100 Jahren). Inzwischen ist auch die Neurobiologische Wissenschaft auf dieselbe Spur gekommen… es kann also nur noch eine Frage der Zeit sein, bis auch die Verwaltungen & Regierungen folgen. Devise: die Sache sportlich sehen und nicht aufgeben! Wichtig ist, dass man sich innerhalb seiner Initiative einig ist, welche gemeinsamen Ziele verfolgt werden. Kindergarten? Volksschule? Weiterführende Schulen? Alle auf einmal?

3. Mitglieder gewinnen und ein Treffen organisieren

Im letzteren Fall wäre es empfehlenswert, sehr viele Mitglieder zu gewinnen und die Aufgaben aufzuteilen. Aber auch bei weniger großen Plänen ist es schön, gemeinsam am selben Strang zu ziehen. Idealerweise lassen sich bereits erfahrene Personen aus dem Umfeld für Treffen und zu Vorträgen überreden, was wiederum den positiven Effekt hat, konkrete Erfahrungen austauschen zu können und neue Mitglieder zu finden.

4. Verein oder nicht?

Ob die Gründung eines Vereins Ihre Ziele unterstützt oder nicht, liegt an den beteiligten Personen. Aber als eingetragener Verein hat man zumindest bei Gemeindeblättern einen Vorteil, wenn man eine Veranstaltung ankündigen möchte.

5. Anliegen bei der Gemeinde/Stadtverwaltung vortragen

Meist ist es sinnvoller, zuerst ein persönliches Gespräch zu suchen und herauszufinden, wo offene Ohren zu finden sind. Die betreffenden Herren und Damen erklären einem die nächsten Schritte dann von selbst, bei zu pessimistischer Prognose empfiehlt sich aber immer auch die Einholung einer zweiten Meinung. Keine Gemeinde Vorarlbergs ist eine Insel, und was an anderen Orten funktioniert, kann auch bei eingefleischten Gegnern von Reformen irgendwann ankommen. Merke: wo immer eine Betonmauer steht, wohnt dahinter die Angst. Diese zu verstehen, ist ein Schlüssel.

6. Faktoren für das Gelingen von Reformpädagogik im öffentlichen Schulsystem

Bewegung gestalten – Gestalten bewegt

Was verändert sich bei der Eröffnung reformpädagogischer Klassen in öffentlichen Schulen? Was löst sie aus?

Reformpädagogik ist ungewohnt
für Eltern
  • Wahlmöglichkeit bereits in Volksschule
  • Verunsicherung entsteht
  • bildungsnahe Schichten und Eltern, deren Kinder reformpädagogische Kindergärten besuchen, fühlen sich zuerst angesprochen
  • bildungsferne Schichten müssen herangeführt werden
  • MigrantInnen müssen aufgeklärt werden
  • Aufnahmegespräche werden notwendig, wie in Musik-, Kreativ-, Informatikzweigen
Lösungsansätze
    • Aufbau einer intensiven Elternarbeit
      • Schulziele für die Elternarbeit entwickeln
      • ausreichende Informationen an Eltern – Transparenz
      • Einbeziehen der Eltern
    • Elternarbeit für Eltern mit Migrationshintergrund
    • gerechte Durchmischung aktiv herstellen
    • Zeitfaktor
für LehrerInnen
  • LehrerInnen, die anders agieren, sind nun im Team
  • Stigmatisierung der LehrerInnen auf beiden Seiten
  • hohe Anwesenheit der ReformpädagogInnen in der Schule durch andere Arbeitsweise
  • großer zeitlicher Aufwand in reformpädagogischen Klassen (vorbereitete Umgebung, alternative Formen der Beurteilung)
  • intensive Teamarbeit der ReformpädagogInnen
  • Jahrgangsmischung – SchülerInnen Einteilung
  • Veränderungen im Stundenplan durch Jahrgangsmischung: Turnen, Werken, Religion
  • Inklusion gehört zu den reformpädagogischen Leitsätzen, Reformpädagogik ermöglicht Inklusion
  • Teamteaching
  • bildungsnahe Familien mit leistungsstarken Kindern wählen häufiger Reformpädagogik
  • engagierte Eltern, die wissen was sie wollen
  • ungewohnte intensive Elternarbeit als Bestandteil der Reformpädagogik
  • Wahlmöglichkeit der Eltern verunsichert
Lösungsansätze
    • gegenseitige Wertschätzung fördern
    • Austauschmöglichkeite
    • Transparenz
    • einfache Weitergabe von Freiarbeitsmaterialien
    • Engagement der Eltern für alle nützen
      • Jahrgangsmischung und Wahlmöglichkeit der Eltern wird mit der Zeit als Erleichterung der Arbeit erlebt
      • reformpädagogische Klassen für verhaltensoriginelle Kinder und Kinder mit Behinderungen nutzen
für LeiterInnen
  • 2 unterschiedliche Unterrichtsformen unter einem Dach
  • Unsicherheiten bei bestehendem Lehrkörper
  • reformpädagogische LehrerInnen sind oft starke Persönlichkeiten, die mitentscheiden wollen und ihre Meinung vertreten
  • Scheinwerfer auf Schule gerichtet
  • Jahrgangsmischung – ungewohnte SchülerInnen – Einteilung
  • kompliziertere Stundenpläne in Turnen, Werken, Religion durch Jahrgangsmischung
  • engagierte, fordernde Eltern
  • Umgang mit der Wahlmöglichkeit – Aufnahmeverfahren festlegen
  • zusätzliche Arbeit und mehr Aufwand
Lösungsansätze
    • Transparenz und Klarheit – Direktoren kommunizieren neuen Weg im Lehrkörper
    • aktives Befürworten beider Unterrichtsformen
    • Werte beider Unterrichtsformen aufzeigen
    • Vielfalt zulassen und als Bereicherung sehen
    • Beziehung und Haltung zum Kind sind ausschlaggebend nicht die Pädagogik
    • Konzentration auf Inhalt
      • reformpädagogischer Weg wird in manchen Klassen eingeschlagen, nicht mehr und nicht weniger
      • manche LehrerInnen an der Schule unterrichten anders, nicht mehr und nicht weniger
      • ein kleiner Teil der Eltern wünscht sich reformpädagogischen Unterricht, nicht mehr und nicht weniger
    • Stärken jeder einzelnen Lehrperson aufzeigen
    • Zusammenarbeit fördern
    • viele Austauschmöglichkeiten schaffen
    • regelmäßige Kommunikation mit allen beteiligten Personen
    • gerechte Klasseneinteilung: bildungsferne Kinder, MigrantInnen zu Beginn einteilen
    • gerechte Aufteilung des Budgets
    • gerechte Aufteilung der Personalressourcen
    • gerechte Aufteilung der Räumlichkeiten
    • engagierte und fordernde Eltern als Bereicherung erleben, ihre Stärken nutzen
    • reformpädagogische Klassen unter die bereits bestehenden räumlich mischen